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Mitglieder-Versammlung mit Ernst Küchler (23.03.03)
zum Thema "Agenda 2010"

 

Auf einer gemeinsamen Veranstaltung der SPD-Ortsvereine Höhenhaus und Dünnwald beschrieb der Bundestagsabgeordnete Ernst Küchler den Sach- und Entwicklungsstand zur sog. Agenda 2010. Bereitwillig stellte er sich den kritischen Fragen der Anwesenden. Küchler wies darauf hin, dass die Bevölkerung zwar mehrheitlich Reformen wünscht, dass es zu Detailfragen dann aber meist keine Mehrheiten mehr gibt. Oft scheitere dies am Bemühen vieler Betroffener, ihre Besitzstände zu wahren.

Nach  Küchler gibt es folgende vier zentrale Krisen, die die gegenwärtige Diskussion bestimmen:



Foto (von links): Franz Philippi, Ernst Küchler, Karin Menke
 
1. Wirtschafts- und Konjunkturkrise: Seit langem liegt Deutschland auf einem der letzten Plätze beim Wachstum im Vergleich mit anderen europäischen Staaten. Zum Vorwurf der "Wahllüge" erklärte Küchler, dass frühere Vorhersagen alle auf wissenschaftlichen Aussagen beruhten, die sich letztlich aber durchweg als falsch herausstellten. Die Prognosen hätten teilweise zu falscher Sicherheit verleitet, alle Politiker hätten mit dem Aufschwung gerechnet.
2. Soziale Sicherheitssysteme: Hier wurde der Fehler begangen, die  demografische Entwicklung nicht rechtzeitig genug ernst zu nehmen. Früher waren es 3,8 Berufstätige, die einen Rentner ernährten, im Jahr 2030 wird das Verhältnis 1:1 betragen. Die Zunahme der Arbeitslosigkeit und eine Kostenexplosion im Gesundheitswesen verschärfen die Situation zusätzlich.
3. Krise auf dem Arbeitsmarkt: Hier ist eine Reform der Arbeitsverwaltung gefordert. Auch hier explodieren die Kosten und spitzt sich die Situation insbesondere auch im Hinblick auf Ausbildungsplätze zu.
4. Staatsverschuldung: Das Versprechen, 2006 einen ausgeglichenen Haushalt zu ermöglichen, ist nicht mehr erreichbar. Zumindest wurde erreicht, die Rate der Neuverschuldung zu verringern. "Strafen" als Folge der Maastricht-Verträge verschärfen die Problematik.

Alle genannten Krisen sind untrennbar verwoben, so dass Eingriffe in einem Bereich, sich oft negativ auf andere Bereiche auswirken. Wer zum Beispiel Lohnnebenkosten senkt, muss in anderen Bereichen (Renten, Gesundheitswesen) sparen. Küchler warnte davor, alles nur schwarz zu sehen. Denn weiterhin ist Deutschland ein Wohlstandsland. Jetzt gelte es allerdings den Sozialstaat "umzubauen" (nicht "abzubauen").

Geplante Maßnahmen im Rahmen der Agenda 2010 sind:

1. Bezug von Arbeitslosengeld: Reize zur Frühberentung müssen verringert werden, was bedeutet, die Leistungszeiten zu verkürzen (auf 12 bzw. 18 Monate). Übergangszeit bis 2006. Gegen Ende des Jahrzehnts wird sich die Situation ohnehin verschärfen, da dann vermehrt Menschen aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden. Die durchschnittliche Arbeitslosenzeit beträgt 32 bis 33 Wochen, so dass wir eine ständige Fluktuation und nicht überwiegend Dauerarbeitslose haben. Das Problem besteht vor allem darin, dass mehr Arbeitsplätze abgebaut werden, als gleichzeitig neu entstehen. Es ist daher falsch anzunehmen, dass die Mehrheit der Arbeitslosen "keine Chance habe". Nicht zu vergessen sei, dass es auch Arbeitslose gibt, die gar nicht mehr in Arbeit gehen sollen bzw. wollen.

2. Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe: Dies ist der am meisten umstrittene Punkt. Beide genannten Leistungen werden aus Steuern finanziert (einerseits vom Bund, andererseits von den Kommunen).  Vor allem die Kommunen werden durch die geplante Zusammenlegung entlastet, so dass ihnen Investitionen erleichtert werden. Von den erhofften Investitionen sollten vor allem Mittelstandsbetriebe profitieren.

3. Außerdem sollen die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen verbessert werden. Nach wie vor ist das Investitionsniveau in Deutschland hoch, allerdings sind die Spielräume gering. Der Modernisierungsaufwand in Deutschland ist groß. Als Beispiel nannte Küchler das marode Gleissystem der Bundesbahn.

4. Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation: Die Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, für genügend Ausbildungsplätze bereit zu stellen. Zur Zeit bildet weniger als ein Drittel der Unternehmen aus.

5. Handwerksbereich: Die Handwerksordnung soll reformiert werden. Hier herrsche immer noch eine "mittelalterliche Zunftordnung", meinte Küchler. Ausländische Firmen dürfen teilweise in Deutschland bestimmte Leistungen erbringen, die deutschen Unternehmen mangels Meisterbrief verschlossen sind. So darf Fliesenleger gleichsam nur bis zum Tapetenrand arbeiten, aber nicht mehr das Tapezieren übernehmen. Langfristig soll nur noch ein Drittel der Gewerke einen Meisterbrief erfordern (in der Regel Betriebe mit gefahrgeneigter Arbeit). Auch ein Geselle, der sechs Jahr in führender Stellung tätig war, soll künftig einen Betrieb führen und darin ausbilden können. So sollen möglichst viele neue Existenzen gegründet werden. In diesem Zusammenhang erwähnte Küchler weitere Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarkts (wie die "Minijobs").

6. Kündigungsschutz: In Betrieben mit fünf Arbeitnehmern gibt es heute keinen Kündigungsschutz. Die Einstellung einer  weiteren Person führt dazu, dass alle sechs Kündigungsschutz erhalten. Dies war ein Einstellungshindernis und begünstigte Mehrarbeit. Künftig wird der Rahmen nach oben erweitert.

Küchler kam auch auf Finanzierungsfragen im Gesundheitswesen zu sprechen. Hier ist ein großes und buntes Bündel von Maßnahmen geplant. Als Beispiel nannte er die Herausnahme des Krankengeldes aus der Krankenversicherung. Er gab zu bedenken, dass es eine "Parität" bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall schon jetzt nicht gibt: Der Arbeitgeber zahlt in diesem Fall alles.

Wie gerecht sind nun die erwähnten Maßnahmen? Es gab schon immer Unternehmen, die sich ihrer Steuerpflicht entzogen, beschrieb Küchler die eine Seite der Medaille. Andererseits werden 53,5 Prozent des gesamten Steueraufkommens allein von jenen 10 Prozent der Steuerpflichtigen gezahlt, die am höchsten besteuert werden. Besser Verdienende haben sich also auch schon bislang kräftig an den Kosten des Gemeinwohls beteiligt. Künftig sollen vor allem kleine und mittlere Einkommen entlastet werden. Dadurch will man vor allem die Konsumzurückhaltung durchbrechen .

Küchler stellte klar, dass er im Bundestag für die Agenda 2010 stimmen wird. In der anschließenden engagierten Diskussion ging es u.a. um Fragen wie: Verabschieden wir uns vom Sozialstaat ? Wie stimmig sind die Vorschläge. Werden nicht einzelne Gruppen unberücksichtigt gelassen (wie die Beamten)? Wie gut ist der Informationsfluss innerhalb der SPD? Gibt es hier überhaupt noch eine "Streitkultur"?